Viele werden sich beim Thema Pokémon GO fragen: „Wie? Jetzt noch? War das nicht durch?“
Tatsächlich ist es still geworden um die Pokémon-Jagd-App. Doch die mediale Schlagkraft zu ihrem doch relativ spontanen Release in diesem Sommer suchte ihresgleichen. Plötzlich waren alle „Trainer“; das kollektive Starren auf die Smartphone-Bildschirme wurde Teil unzähliger Berichte und Kampagnen und führte mal wieder zu der Überlegung, wie sich Hypes wie dieser eigentlich für Marketing und PR nutzen lassen. Erlaubt der „klassische“ Lebenszyklus eines Hypes überhaupt eine effektive Nutzung? Nicht selten sterben Hypes plötzlich durch ihre eigene Übersättigung.
Grund genug, sich dem Thema bei einem unserer regelmäßigen 30/30-Treffen anzunehmen.
Um Hypes soll es also dieses Mal gehen – vor allem, weil Pokémon GO dieses Jahr einen so tiefgreifenden Beitrag zum Thema geleistet hat. Als Referenten sind Christoph Stanek von der freenet AG und Alexander Becker vom Mediendienst MEEDIA eingeladen.
Hypes an sich sind vor allem in der digitalen Welt nichts Neues. In unregelmäßigen Abständen entwickeln sich kleine, häufig spontane Ideen und Meldungen zu einem riesen Bohei. Dabei wird jedoch den wenigsten dieser Ideen die „Ehre“ zu Teil, sich zum langfristigen Hype zu entwickeln. Auf den „Buzz“ folgt so nicht selten ein unangenehmes Schweigen. Die Online-Community Second Life ist da nur ein Beispiel für einen hochgepriesenen Hype des digitalen Zeitalters, der in einer kleinen Nische endete
Häufig sind es die „kleinen“ Geschichten, die sich ohne großen Vorlauf zum großen Hype entwickeln. Social-Media-Challenges, Flashmobs, der Harlem Shake oder Virtual Reality sind nur wenige Beispiele der näheren Vergangenheit. Und eben Pokémon GO. Eine typische „Hätte-man-ahnen-können“-Geschichte, wurde sie doch quasi vor zwei Jahren im Rahmen eines Aprilscherzes von Google angekündigt. Plötzlich war sie dann da und traf weltweit – für eine App – auf ein nie dagewesenes Interesse. Die Medienberichte überschlugen sich, kaum ein anderes Thema schien für die nächsten Wochen noch relevant.
mobilcom-debitel zählt zu einem der Unternehmen, die sich dem Poké-Hype innerhalb kürzester Zeit angenommen haben. Christoph Stanek, Pressesprecher der freenetAG, zu der auch mobilcom-debitel gehört, erklärt das Vorgehen: Unternehmen haben meistens nur wenige Tage Zeit, um auf Hypes wie diesen zu reagieren. Langfristige Planungen und tiefgreifende Absprachen durch zahlreiche Instanzen sind da kaum möglich – so sollten sie umgehend und schnell reagieren, um den „Hypetrain“ noch zu erwischen. Also wurden mit Power-Banks ausgerüstete Promoter auf die Straßen geschickt, die die neu ernannten „Trainer“ der Batteriefresser-App mit Strom versorgten. Zudem wurden speziell an Pokémon GO angepasste Tarife vermarktet und aktiv mit Pokémon-freundlichen Aktionen beworben.
Auch für Alexander Becker, Redaktionsleiter des Mediendienstes MEEDIA sind Hypes ungemein interessant. Journalisten lieben Hypes, denn sie liefern Material für unzählige verschiedene und doch ähnlich gelagerte Artikel mit hohem Klickwert. Da kommt auch der etwa tausendste Beitrag zum iPhone 7 nicht ungelegen, bevor auf die ersten iPhone 8 Artikel umgesattelt wird. Zudem sind Artikel über Hypes – wie die Hypes selbst – immer auch eine äußerst spannende Gratwanderung für alle Beteiligten. Da ist es für Journalisten wie für Unternehmen von ungemeiner Wichtigkeit, die „Welle“ eines Hypes im Auge zu behalten und ihren Verlauf bestenfalls prognostizieren zu können, um nicht aufs falsche Pferd zu setzen. Denn ist ein Hype einmal (in)offiziell beendet, riskieren alle weiteren Versuche, ihn für sich zu nutzen, für lächerlich, überflüssig und altbacken befunden zu werden.
Wichtig ist demnach, rechtzeitig auf die Welle aufzusteigen – den Hype vor seinem Anschwellen vorauszusehen –, um dann seine volle Kraft auszunutzen. Das Mitschwimmen selbst ist dann das Resultat eines erfolgreichen Aufstiegs. Wichtig wird es wieder beim rechtzeitigen Absprung vor dem Brechen der Welle, um unangenehme Nebenwirkungen zu vermeiden. Alexander Becker nimmt unter anderem die Promi-Trennung des Jahres als Beispiel: Während einige den #BrangeliNo-Hype effektiv für sich zu nutzen wussten, kamen andere Versuche genau einen Tick zu spät und versanken somit in Nichtbeachtung oder sogar Häme. Viele haben hier gleiche oder ähnliche Ideen – Aber: wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Alles andere erweckt dann nur noch den Anschein einer müden Nachmache.
Auch in der anschließenden Diskussion kamen Redner und Gäste zu dem Konsens, dass Hypes schwierige Biester sind. Ungemein nützlich – das steht außer Frage –, aber nur, wenn sie genau im richtigen Moment mit genau der richtigen Aktion aufgegriffen werden.